Wil Baden, auf den Sie in der englischsprachigen Literatur oft stoßen, hat in seinem Beitrag ESCAPING FORTH folgendes dargelegt: Es gibt vier Arten von Steueranweisungen :
Die ersten drei Möglichkeiten sind zwingend notwendig und in den älteren Sprachen wie PASCAL ausschließlich vorhanden. Entsprechend steht im volksFORTH eine Anweisung für die Auswahl von Programmteilen zur Verfügung, wobei die Ausführung vom Resultat eines logischen Ausdrucks abhängig gemacht wird:
flag IF <Anweisungen> THEN flag IF <Anweisungen> ELSE <Anweisungen> THEN
Soll dagegen im Programm ein Rücksprung erfolgen, um Anweisungen wiederho1t auszuführen, wird bei einer gegebenen Anzahl von Durchläufen diese Anweisung eingesetzt, wobei der aktuelle Index über I und J zur Verfügung steht:
<Grenzen> DO / ?DO <Anweisungen> LOOP <Grenzen> DO / ?DO <Anweisungen> <Schrittweite> +LOOP
Wenn eine Wiederholung von Anweisungen ausgeführt werden soll, ohne daß die Anzahl der Durchläufe bekannt 1st, so ist eine Indexvariable mitzuführen oder sonstwie zum Resultat eines logischen Ausdrucks zu kommen. Die folgende Konstruktion ermöglicht eine Endlos-Schleife:
BEGIN <Anweisungen> REPEAT
Die Wiederholungsanweisungen sind insoweit symmetrisch, daß eine Anweisung so lange (while) ausgeführt wird, wie ein Ausdruck wahr ist, oder eine Anweisung wiederholt wird, bis (until) ein Ausdruck wahr wird.
BEGIN <Anweisungen> flag UNTIL BEGIN <Anweisungen> flag WHILE <Anweisungen> REPEAT
Beide Möglichkeiten lassen sich in volksFORTH auch kombinieren, wobei auch mehrere (multiple) WHILE in einer Steueranweisung auftreten dürfen.
BEGIN <Anweisungen> flag WHILE <Anweisungen> flag UNTIL
Nun tritt in Anwendungen häufig der Fall auf, daß eine Steueranweisung verlassen werden soll, weil sich etwas ereignet hat.
Dann ist die vierte Situation, der Abbruch, gegeben, Die Programmiersprache "C" stellt dafür die Funktionen: break, continue, return und exit zur Verfügung; volksFORTH bietet hier exit, leave, endloop, quit, abort, abort" und abort( an. In FORTH wird EXIT dazu benutzt, um die Definition zu verlassen, in der es erscheint; LEAVE dagegen verläßt die kleinste umschließende DO...LOOP-Schleife.
Ab der Version 3.81.8 verfügt volksFORTH über eine zusätzliche Steueranweisung für den Compiler, die bedingte Kompilierung in der Form:
have <word> not .IF <action1> .ELSE <action2> .THEN
DieseWorte werden außerhalb von Colon-Definitionen eingesetzt und ersetzen das \needs früherer Versionen.
Diese arbeiten auch wie Steueranweisungen, wie die Definitionen von ARGUMENTS und IS-DEPTH zeigen: :
is-depth ( n — ) depth 1- — abort" falsche Parameterzahl!" ;
IS-DEPTH überprüft den Stack auf eine gegebene Anzahl Stackelemente (depth) hin.
An dieser Stelle soll kurz die vielfältigen Möglichkeiten gezeigt werden, mit denen eine Fallunterscheidung in FORTH getroffen merden kann. Kennzeichnend für eine solche Programmsituation ist, daß von verschiedenen Möglichkeiten des Programmflusses genau eine ausgesucht werden soll.
Ausgehend von einer übersichtlichen Problemstellung, einem Spiel, werden die notwendigen Grundlagendefinitionen und die Entwicklung der oben beschriebenen Kontrollstruktur beschrieben.
Als Beispiel dient ein Spiel mit einfachen Regeln:
Bei diesem Trinkspiel, das nach dem Artikel "Ultimate CASE-Statement" (Vierte Dimension 2/87, Seite 40 ff) auch CRAPS genannt wird, geht es darum, einen Vorrat von gefüllten Gläsern unter den Mitspielern mit Hilfe des Würfels zu verteilen und leerzutrinken:
Zuordnung ist also: 1=nehmen, 2/3=links, 4/5=rechts, 6=trinken und entsprechend der Augenzahl des Würfels soll eine der 6 möglichen Aktionen ausgeführt werden. Das Programm soll sich darauf beschränken, das Ergebnis dieses Würfelns einzulesen und auszuwerten. Daraufhin wird eine Meldung ausgegeben, welche der sechs Handlungen auszuführen ist.
Für ein solches Programm ist eine Zahleneingabe notwendig. Diese wurde hier mit dem Wort F83-NUMBERS realisiert:
: F83-number? ( string -- d f ) number? ?dup IF 0< IF extend THEN true exit THEN drop 0 0 false ; : input# ( string -- n ) pad c/l 1- >expect pad F83-number? 2drop ;
Die Definition der Worter, die sechs oben genannten Aktionen symbolisch ausführen sollen, richtet sich nach den Spielregeln, die für jedes Würfelergebnis genau eine Handlung vorschreiben:
\ nehmen trinken links rechts schieben : nehmen bright ." ein Glas nehmen" normal 2 spaces ; : trinken bright ." alle Gläser austrinken" normal 2 spaces ; : links bright ." ein Glas nach links" normal 2 spaces ; : rechts bright ." ein Glas nach rechts" normal 2 spaces ; : schieben ;
SCHIEBEN ist eine Dummyprozedur, ein Füllsel, dessen Notwendigkeit sich erst sehr spät ergibt. Für den Dialog mit dern Anwender wird deflniert:
: Anfrage cr ." Sollen Sie nehmen, trinken oder schieben?" cr ." Bitte Ihre Augenzahl und <cr> : " ; : Glückwunsch cr ." Viel Glück beim nächsten Wurf ..." ;
Das Wort AUSWERTUNG soll entsprechend einem Selektor genau eine von 6 möglichen Prozeduren ausführen. Also wird man prüfen, ob diese oder diese oder ... der Mogiichkeiten in Frage kommt. Hinzu kommt noch die Prüfung, ob der übergebene Parameter zwischen (between) 1 und 6 lag.
Die Def!nit!on von BETWEEN ist volksFORTH-gemäß recht kurz:
( Wert Untergrenze Obergrenze -- false oder ) ( -- true wenn Untergrenze <= Wert <= Obergrenze ) : between 1+ uwithin ; : Auswertung.1 ( wurfergebnis -- ) dup 1 = IF nehmen ELSE dup 2 = IF links schieben ELSE dup 3 = IF links schieben ELSE dup 4 IF rechts schieben ELSE dup 5 IF rechts schieben ELSE dup 6 = IF trinken THEN THEN THEN THEN THEN THEN 1 6 between not IF invers ." Betrug!" normal THEN ;
Da eine solche Prüfung auf Gleichheit in der Programmierpraxis oft vorkommt, stellt das volks4TH dafür das Wort case? zur Verfügung. case? vergleicht die obersten beiden Stackwerte miteinander. Bei Ungleichheit bleibt der Testwert (Selektor) erhalten, so daß die Worte DUP und = dadurch ersetzt werden.
: Auswertung.3 ( Wurfergebnis -- ) 1 case? IF nehmen exit THEN 2 case? IF links schieben exit THEN 3 case? IF links schieben exit THEN 4 case? IF rechts schieben exit THEN 5 case? IF rechts schieben exit THEN 6 case? IF trinken exit THEN drop invers ." Betrug!" normal ;
Bei dieser Auswertung wird aus dem QueHtext zu wenig deutlich, daß bei ZWEI und DREI dieselbe Handlung ausgeführt wird, wie auch VIER und FÜNF die gleichen Aktionen zur Folge haben.
=OR prüft deshalb einen Testwert n2 auf Gleichheit mit einer unter einem Flag f1 liegenden Zahl n2. Das Ergebnis dieses Tests wird mit dem bereits vorliegenden Flag OR-verknüpft. Dieses neue Flag f2 und der Testwert nl werden Übergeben:
=OR Definition in Forth
: =or ( n1 f1 n2 -- n1 f2 ) 2 pick = or ;
=OR Definition in 8086 Assembler
code 0or ( n1 f1 n2 -- n1 f2 ) A D xchg D pop S W mov W ) A cmp 0= ?[ -1 # D mov ]? next end-code
Dieses Wort bringt im Quelltext eine deutliche Verbesserung:
: Auswertung.4 ( Wurfergebnis -- ) dup 1 6 between IF dup 1 = IF nehmen THEN dup 2 = 3 =or IF links schieben THEN dup 4 = 5 =or IF rechts schieben THEN dup 6 = IF trinken THEN ELSE invers ." Betrug!" normal THEN drop ;
Damit wurde ohne eine CASE-Anweisung eine sehr übersichtliche Steuerung des Programm-Flusses geschaffen. Die Plausibilitatsprüfung, ob die eingegeben Zahl zwischen 1 und 6 lag, ist hier an den Anfang gerückt und wird in einem einzigen ELSE-Zweig abgearbeitet.
Viele Programmiersprachen stellen eine CASE-Anweisung zur Verfügung, die wie in PASCAL mit Hilfe eines Fall-Indices eine Liste von Fall-Konstanten auswertet und eine entsprechende Anweisung ausführt. Obwohl ein solches CASE-Konstrukt — wie oben gezeigt — nicht notwendig ist, macht es Programme besser lesbar und liegt bei Problemstellungen wie der Auswertung eines gegebenen Index eigentlich näher. Dies ist in "Wil Baden - Ultimate CASE-Statement - VD 2/87, S.40 ff." ausführlich diskutiert worden, , wobei aber der ältere Esker-CASE (Dr. Charles Eaker -- Just in CASE (FORTH DIM II/3)) von Dr. Charles Eaker sicherlich der bekanntere ist, der auch in der Literatur und in Quelltexten häufig Erwähnung und Verwendung findet.
Herr H. Sehnitter hat diesen Eaker-CASE für das volks4TH implementiert und dabei Veränderungen in der Struktur und Verbesserungen in der Anwendung vorgenommen.